Liebe Mitwirkende und alle, die uns unterstützen,
liebe Freundinnen des Kalkbrennerei e.V.,
das nun hinter uns liegende Jahr 23 war voller vielfälter Aktivitäten. Unter dem Motto „ANASYRMA – 25 Jahre Entdeckung der Klitoris“ haben wir nicht nur erstmals einen übergeordneten thematischen Rahmen für unsere Veranstaltungen gesetzt, sondern auch in erweitertem Maße mit anderen Vereinen und kulturellen Akteur:innen der Stadt kooperiert. So konnten insgesamt zwölf Angebote gemacht werden, um verschiedenste Aspekte und Perspektiven aus dem weiten Feld feministischer Auseinandersetzungen zu beleuchten.
Den Auftakt machte schon im Januar Lisa Wander mit der textilen Werkstattrunde „Die lustige Vulva“. In der Jugendkunstschule trafen sich einige bastelverrückte Menschen, um aus einem reichen Fundus von Stoffresten, Bändern, Knöpfen, Perlen und anderen Schmuckstücken vulvomorphe Objekte zu zaubern: Broschen, Handtaschen und andere “Flodderigkeiten” wurden erschaffen. Weil wir einiges nicht so schnell fertigstellen konnten und noch längst nicht genug hatten, gab es eine Fortsetzung in häuslicher Runde.
Eine geballte Ladung Aufklärung erhielten wir Ende Februar von Luise Schwab mit vielen Informationen zur Anatomie und Physiologie der Klitoris, die ja bis heute kaum bekannt sind. Wir hörten einen detailreichen und fachkompetenten Vortrag im Foyer der Jugendkunstschule, das voll besetzt mit gespannten Zuhörer:innen war.
Am 8. März, dem internationalen feministischen Kampftag, waren wir in je zwei Zweiergruppen im Stadtgebiet unterwegs, um unterschiedliche Stimmen und Stimmungen zur Bedeutung dieses Tages und zum Feminismus einzufangen. Den dabei entstandenen Gesprächen kann auf der Internetseite der Villa gelauscht werden.
Im April wurde in der Jakobikirche „Mein Name ist Klitoris“ gezeigt, ein Dokumentarfilm, der junge Frauen von ihren Erfahrungen und Auseinandersetzungen mit der eigenen Körperlichkeit, Lust und Sexualität erzählen lässt. Die sehr intimen Interviews bringen sowohl lustig-lustvolles wie auch verstörend-traumatisches zur Sprache und zeigen: das Anrüchigste an diesen Themen ist der immer noch enorme Mangel an echter Aufklärung. Ein informativer und kommunikativer Abend mit viel interessiertem Publikum, eine schöne Kooperation mit dem Blendwerk e.V., gern mehr davon!
Ebenfalls gut besucht und mit regem, persönlichem Austausch verbunden war der Workshop von und mit Julia Bachor im selben Monat. Wir versammelten uns im Salon der Villa, um die Formen der Vulva lustvoll mit Pinsel und Aquarellfarbe zu erforschen. Ein großer Tisch, ein paar Materialien und Menschen mit kreativer Energie: ein einfaches und sehr wirkungsvolles Rezept! Das als intensive künstlerische Klausur angedachte Werkstattwochenende „Leid:Wesen“ allerdings, das sich um das schwere und schmerzvolle Thema sexualisierter Gewalt drehen sollte, um leidvolle Erfahrungen beispielsweise in Installationen, Filme oder Performances umzusetzen, fiel mangels Mitwirkenden aus.
Im Juni lud noch einmal Julia Bachor zu sehr intimen künstlerischen Sessions ein. Wer wollte, konnte sich aufmachen, den eigenen Körper, die eigene Weiblichkeit zu erforschen, Schönheit jenseits von stereotypen Bildern zu zeigen und sich von ihr fotografisch inszenieren zu lassen.
Im warmen Schein der Julisonne ließ sich eine Gruppe Interessierter im Garten der Villa in die „Kunst der Berührung“ einweisen. Jelena Krüger und Ilka Godorr leiteten eine behutsame Reise in die Welt der Sinnlichkeit, der körperlichen Selbsterfahrung und der achtsamen Begegnung nach tantrischen Prinzipien.
Unter dem Motto „Kein Federlesen – kluge Bücher für wache Menschen“ brachte die Autorin und Buchhändlerin Katrin Hoffmann in August verschiedene feministische Texte zu Gehör. Eine gemütliche Runde, versammelt in der Hasellaube im Villagarten, war ganz Ohr.
Mitte Oktober waren wir zur feierlichen Eröffnung der Ausstellung „μετά“ eingeladen. Die gleichnamige Künstler*in zeigte in der Belle Etage der Villa mystisch-surreale Collagen und experimentelle Fotografien, die vielschichtige Assoziationsnetze „zwischen Mystik, Alchemie, Medizin, Freakshow, Pathologie, pflanzlichen und tierischen Metamorphosen“ (in μετάs eigenen Worten) weben. Eine poetische und sehr persönliche Reise „auf der Suche nach Ahnen, Verwandten und Identität“. Die Bilder waren hier bis in den November hinein zugänglich. Ein im Zusammenhang mit dieser Ausstellung geplanter Collagen-Workshop zum Umkreisen eigener Identitäten im freien Spiel der Bilder kam wegen mangelnder Resonanz leider nicht zustande.
Ende November versammelte Jette Buettler von der Beratungsstelle gegen sexualisierte Gewalt einige Frauen in unserem Hause zum Thema „Sexualität selbstbestimmt leben“. In vertraulichem Rahmen wurden Hemmnisse und Rollenclichés gelöst und die Voraussetzungen für eine freie und erfüllte Sexualität erarbeitet.
Damit endete ein bunter Reigen gestalterischer, kritischer und informativer Unternehmungen, die vielen von uns sicher neue Blickwinkel, Erfahrungen und Möglichkeiten eröffnet haben. Menschen haben sich verbunden, verschiedene Kreise des soziokulturellen Lebens sind miteinander in Kontakt getreten. Das sich dabei abzeichnende kreative Potenzial in Stralsund und Umgebung ist damit noch längst nicht ausgeschöpft.
Gegen Ende des Jahres haben wir zusammen mit dem SPEICHER_Leute e.V., dem strahlwerk, QUEER! WIR HIER und der STRAZE (Kultur- und Initiativenhaus Greifswald e.V.) ein neues Jahresthema für das kommende Jahr 24 gewählt:
WIRKLICHKEITEN – 100 Jahre surrealistisches Manifest
Inspiriert von der unkonventionellen Herangehensweise und der revolutionären Haltung der Surrealist:innen wollen wir unsere Synapsen neu verbinden, gestalterische (Un-)Möglichkeiten ausloten und uns gegen die gewohnten Wirklichkeiten verbünden. Schaffen wir magisch-poetische Realitäten, lassen wir zuvor Unbewusstes auf die Welt los!
Wir beginnen demnächst mit einer Werkstattveranstaltung im Speicher am Katharinenberg,um gemeinsam ein Plakat für das Thema zu kreieren.
Für den April ist wieder eine kreative Sitzung mit Lisa Wander geplant, die sich auf einer ihrer Hiddensee-Reisen von Asta Nielsen inspirieren ließ. So werden Stoffreste (und andere Dinge) auf alten Leinwänden, im Sinne der Assemblage, zu neuen Bildern und Sinnwelten. Nähere Informationen folgen auf den gewohnten Ankündigungsseiten.
Im Hintergrund reifen viele Ideen heran. Da entstehen Traumtagebücher, werden automatisches Schreiben und Zeichnen erprobt und die Ergebnisse proklamiert und ausgestellt, unbekannte Klangwelten werden erkundet… Wir dürfen also gespannt sein!
Wer eigene Vorstellungen zu diesem Thema hat, ist herzlichst eingeladen, sie mit uns zu verwirklichen.
Lasst uns zusammen verrückt werden!
Eins muss allerdings noch nachgeholt werden: Die Berliner Theatergruppe „Lovefuckers“, eigentlich im Rahmen des letzten Jahresthemas eingeplant, wird nun doch und endlich vom 20. bis 22. März im Sticker Theater auftreten.